Es waren häufig jüngere Menschen, die ihr Heimatland aufgrund der zunehmenden Anfeindungen und beruflichen Schikanen verlassen haben und ins Exil gingen. Ganz besonders gilt dies für das Aufnahmeland Palästina, das damals unter britischem Mandat stand und die Flüchtlinge aus Nazi-Deutschland zunächst internierte. Immigranten mit medizinischer Ausbildung waren jedoch sehr willkommen, da auch eine medizinische Infrastruktur erst von Grund auf aufgebaut werden musste.
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Sommer 1940, Rassistisches und antisemitisches Schild am französischen Strand
(BArch, Bild 101I-057-1699-3)
Ein zusammenfassender Bericht aus der „Statistik der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ gibt den Stand der Emigration von 1933 bis 1941 wieder: Die meisten Auswanderer reisten in die amerikanischen Staaten aus, gefolgt von europäischen Staaten und Palästina. Diese Prioritätensetzung findet sich auch unter den emigrierten jüdischen Strahlenmedizinern: von insgesamt 77 Personen verließen 37 Deutschland in Richtung USA, neun reisten nach Großbritannien aus und ebenfalls neun nach Palästina. Mit 19 Ländern ist der Anteil derjenigen Länder hoch, die nur von einem oder zwei Emigrierenden gewählt wurden, darunter die Schweiz, China, Brasilien oder Venezuela.
Berlin, Emigration von Juden, Umzugswagen, 1939 (BArch, Bild 183-E03468)
Für die Flüchtlinge, die erst nach Beginn des Zweiten Weltkrieges Deutschland verlassen konnten, ergab sich das Problem, dass nach der deutschen Besetzung ein vermeintlich sicheres Exilland – Österreich, Niederlande, Tschechoslowakei, Teile Frankreichs – im besten Falle zu einem „unfreundlichen“, weil deutsch besetzten Transitland wurde, das man aber wieder verlassen konnte. Prof. Dr. Richard Werner z.B. hatte dieses Glück nicht: Nachdem das Protektorat Böhmen und Mähren errichtet und Brünn von den Deutschen besetzt worden war, wurde er in das Ghetto Theresienstadt deportiert; er starb dort kurz vor Ende des Krieges.
Die Emigration aus dem nationalsozialistischen Deutschland gelang fast der Hälfte der jüdisch stigmatisierten, strahlenmedizinisch ausgebildeten Ärztinnen und Ärzten: Von den 165 Diskriminierten und Verfolgten konnten 77 Personen, darunter vier Frauen, ihre ehemalige Heimat verlassen und in ein Exilland flüchten. Von den älteren Ärzten, die sich aus unterschiedlichen Gründen oftmals nicht dem Gedanken des Neuaufbaues einer Existenz im Exil nähern konnten, finden sich viele unter den Opfern der Mitte 1941 beginnenden Deportationen in Lager, Ghettos und Konzentrations- und Vernichtungslager. Unter jüdischen strahlendiagnostisch oder -heilkundlich Tätigen liegt der Prozentanteil der gewaltsam zu Tode Gebrachten bei rund 9,8 Prozent.
Illegale Einwanderer in Palästina (Bootsflüchtlinge, Schiffbruch)
(bpk/Walter Zadek)