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Leben in Deutschland: Prof. Dr. Rajewsky

Obwohl der Biophysiker Prof. Dr. Boris Rajewsky (1893-1974) bereits 1934 in die SA und 1937 in die NSDAP eingetreten war, hielt er weiterhin Kontakt mit Friedrich Dessauer, der 1934 als aktiver Zentrumspolitiker und sogenannter „Vierteljude“ ins Exil getrieben worden war. Rajewsky, der langjähriger Assistent und Stellvertreter Dessauers gewesen war, hatte diesen während seiner Inhaftierung unterstützt und bei der Vermittlung einer Professur in der Türkei geholfen, bevor er die Nachfolge Dessauers im universitären Institut für physikalische Grundlagen der Medizin angetreten hatte. 1937 wurde auf Rajewskys Betreiben das Institut für physikalische Grundlagen der Medizin in Frankfurt in das Kaiser-Wilhelm-Institut für Biophysik umgewandelt, was nicht nur Unabhängigkeit von den universitären Hierarchien zur Folge hatte, sondern auch die Ausstattung und die Mittel­zuweisung durch die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft verbesserte.

Zu Rajewskys langjährigen Forschungsarbeiten gehörte die Frage der Verursachung des sogenannten Schneeberger Lungenkrebses, den er auf hohe Radonbelastung zurückführen konnte. Nachdem 1937 im Radonbad Oberschlema eine Zweigstelle des Kaiser-Wilhelm-Instituts gegründet worden war, entstanden Gerüchte um radium­balneologische Humanexperimente mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen.

Letzteres erwies sich als unzutreffend, aber der Verdacht ließ sich noch nicht ausräumen, dass Rajewsky medizinische Daten von Kurpatienten ohne deren Wissen und Zustimmung für die Verfolgung eigener Forschungsfragen erhalten hatte – ein ethisch zweifelhaftes Vorgehen im Hinblick auf die auch während der NS-Zeit geltenden „Richtlinien für neuartige Heilbehandlung und für die Vor­nahme wissenschaftlicher Versuche am Menschen“ von 1931.

Rajewsky beantragte außerdem Gelder von der Deutschen Forschungsgemeinschaft für ein in Zusammenarbeit mit dem Wehrmachtslazarett in Oberschlema durchzuführendes Projekt und erhielt 1940 Finanzmittel zur Bezahlung von Personal zur „Aufwartung der Versuchspersonen und Versuchstiere“, die im Kontext der Schneeberger bzw. Joachimsthaler Bergkrankheit tätig waren.

Seine Frankfurter Arbeiten Anfang der 1940er Jahre dienten der Entwicklung einer Hochvolt­anlage zur Erzeugung von Neutronen, Kathoden- und Röntgenstrahlen, die in der biophysikalischen, biologischen und medizinischen Forschung ein­­gesetzt werden sollten. Nach dem Kriege unterstützte Boris Rajewsky, gemeinsam mit Adolf Butenandt, Wolfgang Heubner und Max Hartmann, die Rehabilitationsbemühungen des Rasse­hygienikers Otmar von Verschuer, der nach­weislich Forschungskontakte zu Joseph Mengele und dem KZ Auschwitz unterhalten hatte.

Boris Rajewsky

(Foto Deutsches Röntgenmuseum)

Anzeigen aus dem Reichsmedizinalkalender 1937

Friedrich Dessauer

(Foto Deutsches Röntgenmuseum)

Röntgenraum Kuranstalt Karlsbad (1940) (Bundesarchiv, Bild 121-0505)

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